
„Nie wieder ist jetzt“- Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
Im Januar und Februar fanden an der Käthe-Kollwitz-Schule verschiedene Gedenkveranstaltungen anlässlich des Internationalen Gedenktages für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft statt.
Die Schüler:innen des zehnten Jahrgangs besuchten eine Lesung des Publizisten Renatus Deckert, der am 22.01.2025 aus den Tagebüchern von Victor Klemperer vorlas. Schüler:innen aus der 10b berichten: „Am Mittwoch in der 3. und 4. Stunde hatten wir, der 10. Jahrgang, die Ehre, eine Lesung über einen Zeitzeugen des Holocausts zu hören. Bei dem Zeitzeugen handelt es sich um Victor Klemperer, der seine Lebensgeschichte in Tagebüchern festhielt.
Klemperer war einer der wenigen Überlebenden des Holocausts. Er hatte es geschafft, während starker Luftangriffe in seiner Heimatstadt Dresden unterzutauchen und somit dem KZ zu entgehen. Dass er dies schaffte, war nur dem Chaos aufgrund des Angriffs zu verdanken. Seine Frau nutzte die Chance und riss ihm den aufgenähten „Judenstern“ von der Kleidung. Um Dresden verlassen zu können und Papiere zu bekommen, gab das Ehepaar bei den Behörden an, sie seien aus Schlesien geflohen und hätten ihre Papiere bei den Angriffen während der Durchreise durch Dresden verloren. So nahmen sie neue Identitäten an und konnten fliehen. Durch diese erfolgreiche Flucht lebte Victor Klemperer noch bis 1960. Auch wenn Klemperer letztendlich überlebt hat, hat die Lesung trotzdem nicht dazu geführt, den Holocaust zu verharmlosen, denn auch Klemperer hat viele Schrecken durchlebt.“
Zudem nahm der 11. und 13. Jahrgang am 18.02.2025 an einer Zoom-Konferenz mit dem Zeitzeugen Horst Bernard teil. Eine Schülerin aus dem 13. Jahrgang berichtet:„Am Dienstag, den 18. Februar 2025, hatte unsere Oberstufe das Privileg, von dem Zeitzeugen Horst Bernard zu hören. Der Holocaust-Überlebende wurde 1932 in der Nähe von Saarbrücken geboren, sein Vater war Jude. Nach der Volksabstimmung im Saarland 1935, die den offiziellen Anschluss des vom Völkerbund verwalteten Gebiets an das Deutsche Reich festlegte, floh Horsts Vater nach Frankreich. Etwas später floh auch Horst Bernards Mutter Irene mit Horst und seinen Geschwistern nach Frankreich, um ihrem Mann zu folgen. Horst Bernard berichtete detailliert von den Erfahrungen seiner Familie in den Aufenthaltslagern für Geflüchtete und die physische und mentale Belastung, die dieser Aufenthalt mit sich brachte. Besonders interessant waren Horst Bernards Erzählungen von dem Leben der Familie in Agen. Denn obwohl die Bernards in Frankreich lebten, waren sie nicht vor dem nationalsozialistischen Regime sicher. Horst Bernard erzählte uns davon, dass sein Vater verschiedenste Vornamen trug, um nicht als deutscher Jude erkannt zu werden. Es ist schwer greifbar, dass eine Flucht in ein anderes Land immer noch nicht genug Distanz zwischen die Nationalsozialisten und die Bernards brachte. Horst Bernard konnte uns mit seinen spezifischen Erzählungen sehr viel beibringen. Neu für viele war beispielsweise, dass das einzige, das Horst Bernards Vater vor der Verhaftung durch die Nationalsozialisten 1940 schützte, die Geburt von Horsts Bruder war. Somit hatte sein Vater nämlich ein offiziell französisches Familienmitglied, das seinen Aufenthalt in Frankreich legitimierte. Horst Bernard machte jedoch auch deutlich, dass diese verschiedenen Wege, die Nationalsozialisten zu vermeiden, nicht für Sicherheit sorgten. Wir waren alle sprachlos, als Horst Bernard erzählte, wie sein Vater nach der Besetzung Frankreichs durch Deutschland 1942 untertauchen musste und seine Mutter mit seinen kleinen Geschwistern 1944 aufs Land floh. Horst Bernard wurde bei einem älteren Ehepaar, das mit der Widerstandsbewegung „Résistance“ sympathisierte, in Agen untergebracht. Die einzige Form von Kontakt mit seiner Familie hatte Horst einmal die Woche, als er seinen Vater auf einer zuvor ausgemachten Straße sah und ihm nur unauffällig zunicken durfte. Es war sehr berührend zu hören, wie viel Kraft und Hoffnung Horst jedoch durch diese kurze Interaktion bekam. Es wurde uns klar, was für ein Privileg es ist, nach der Schule nach Hause zu unseren Familien gehen zu dürfen.
Prägend für Horst Bernard war auch die Beerdigung eines Mitglieds der Widerstandsbewegung „Libération“, in der seine Eltern Mitglieder waren. Hier wurde der damals 12-jährige Junge hingeschickt, da das Risiko der Teilnahme für seine Eltern zu groß war. Diese Beerdigung endete in einer Schießerei der SS, von welcher Horst Bernard um sein Leben rannte. Diese Erzählung ergriff uns alle sehr und führte uns vor Augen, wie traumatisch diese Zeit für ihn war. Es ist unvorstellbar, dass ein 12-jähriger Junge so etwas erleben musste.
Mit dem fortschreitenden Krieg stieg jedoch auch die Hoffnung für die Bernards, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Somit konnten sie, trotz der vielen Hürden und Traumata, 1946 wieder nach Saarbrücken ziehen und ihr Leben als Familie fortsetzen.
In der Fragerunde am Ende des Gesprächs hatte Horst Bernard noch viele inspirierende Worte für uns. Er erzählte uns vor seiner wachsenden Angst vor rechtsextremistischen Kräften und sagte, die heutige Zeit erinnere ihn in Teilen an das Jahr 1933. Deswegen appellierte Horst Bernard an uns alle, uns für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus einzusetzen, um für Menschenwürde einzustehen. Horst Bernard erinnerte, dass wir nun noch die Möglichkeit haben, uns zu wehren und unsere Demokratie zu schützen und diese Chance nutzen sollten.“ (Anna, Jg 13)
KRÜ