Projekte im Rahmen der Unterrichtsreihe Nationalsozialismus
Im Zusammenhang mit dem Unterrichtsthema zum Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus haben wir, Schüler des 10. Jahrgangs, die Gedenkstätte Bergen-Belsen besucht und in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Namensziegel für sowjetische Kriegsgefangene hergestellt, um den Menschen zumindest einen Teil ihrer Identität wiederzugeben.
Coskun Tözen, Bildungsreferent vom Volksbund, kam am 23.10.24 in den Geschichtsunterricht und gab uns eine Einführung bezüglich der Arbeit und Aufgaben des Volksbundes: neben der Pflege von Kriegsgräberstätten leistet der Volksbund heute v.a. präventive Bildungsarbeit an Schulen. Anschließend eröffnete Herr Tözen die Ausstellung zum Zweiten Weltkrieg, die wir selbstständig mit Hilfe von Fragebögen erkunden konnten, um uns den historischen Kontext zu erarbeiten.
Am 28.10.24 fuhren wir, in Begleitung von Frau Lemeire und Herrn Koblitz, zur Gedenkstätte Bergen-Belsen. Zu Beginn ging es für uns erst einmal in die neue Wanderausstellung „Ein Tatort: Bergen-Belsen“, welche sich mit der Täterschaft und Tatbeteiligung auseinandersetzt. Kurz danach wurden wir von unserem Guide, Andreas Thamm, empfangen. Vor unserer Führung über das Gelände stellte er uns in einer Präsentation die Geschichte des Lagers Bergen-Belsen vor. Im Anschluss daran zeigte er uns einen kurzen Film „Westerbork Bahnsteig im Durchgangslager“, ein Propagandafilm für NS-Funktionäre. Der Film dokumentiert den „reibungslosen Ablauf“ der Deportationen aus Sicht der SS. 99% der in dem Film nach Auschwitz deportierten Menschen haben nicht überlebt.
Darauffolgend haben wir uns das ganze Lager in Form eines Modells angeschaut. Im Dokumentationszentrum konnten wir uns anhand von Fotografien, Dokumenten, Gegenständen und Videointerviews von Überlebenden über das Leben im Lager, die Zustände zur Zeit der Befreiung durch die britischen Truppen und die Nachkriegszeit informieren. V.a. die Originalbildquellen der britischen Soldaten schockierten und berührten uns.
Danach haben wir uns auf das Außengelände begeben. Unser erster Stopp war an der Lagergrenze. Von dort aus liefen wir über das Gelände, welches sehr groß und weitläufig wirkt, aber durch viele Massengräber gekennzeichnet ist. Dort legten einige Schüler*innen ihre mitgebrachten Steine und Blumen als Zeichen dafür nieder, dass die Toten nicht vergessen sind. Vom eigentlichen Lager ist kaum etwas erhalten, da die britischen Soldaten bei ihrer Ankunft in Bergen-Belsen drei Aufgaben zu bewältigen hatten: neben der Bestattung der Leichen in den bereits erwähnten Massengräbern und der Evakuierung der Überlebenden mussten die Baracken zwecks Eindämmung und Verhinderung der Ausbreitung von Seuchen abgebrannt werden.
Auf dem Weg zum Haus der Stille liefen wir an dem jüdischen Mahnmal und mehreren Gedenksteinen entlang. Einen kurzen Halt machten wir bei Anne und Margot Franks Gedenkstein. Beide waren wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers am 15.4.1945 an Typhus verstorben.
Am Haus der Stille angekommen, haben wir für alle Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft eine Schweigeminute abgehalten und die restlichen Steine und Rosen niedergelegt. Am Ende unserer Führung mit Herrn Thamm waren wir bei dem großen Holzkreuz, das erste Symbol der deutschen Erinnerungskultur nach dem Krieg, dem Obelisk und der Inschriftenwand.
Nach einer Pause sind wir abschließend zur Rampe gefahren. Hier sind die Häftlinge angekommen, die sich dann zu Fuß und bereits geschwächt durch Zwangsarbeit und Transport bei Wind und Wetter auf den 5-6 km langen Weg ins Lager machen mussten. Vor Ort befindet sich ein Waggon, der denen ähnelt, mit denen die Häftlinge transportiert worden sind. Schüler*innen haben hier anschauliche Zeitzeugenberichte von ihrer Ankunft und ihrem Weg ins Lager vorgelesen.
Eine Woche nach Herrn Tözens erstem Besuch beehrte er uns wieder, dieses Mal, um Namensziegel für sowjetische Kriegsgefangene herzustellen. Nach einer kleinen Einführung hat jeder begonnen: erst wurde Ton geschlagen, geknetet und in Holzformen ausgerollt, und dann begann das Einarbeiten der Namen und Lebensdaten der sowjetischen Kriegsgefangenen. Das Ergebnis sah vielversprechend aus, und die Ziegel werden nun in einigen Wochen gebrannt.
Am 27. Januar 2025, dem Holocaust-Gedenktag, werden wir die Ziegel im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung in Bergen-Hörsten niederlegen.
Eine Präsentation von Coskun Tözen über den geschichtlichen Hintergrund und die Situation der sowjetischen Kriegsgefangenen von 1941-1945 rundete diese besonderen Geschichtsstunden ab.
Als „Untermenschen“, so die Sicht der Nationalsozialisten, hatten sowjetische Kriegsgefangene keinen Anspruch auf die Einhaltung der Genfer Konventionen, die Kriegsgefangenen Unterkunft, Nahrung und Arbeit in einem zumutbaren Rahmen sicherstellen.
In der Folgestunde haben wir die Personalkarten ,,unserer’‘ sowjetischen Kriegsgefangenen, also das vorhandene Archivmaterial, erkundet und mit diesen Angaben Porträts erstellt, sofern das möglich war.
Außerdem haben wir die Exkursion nach Bergen-Belsen reflektiert: dabei haben wir uns vor allem mit der Frage beschäftigt, was Bergen-Belsen eigentlich mit uns zu tun hat. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass sich das Geschehene erneuert ereignen kann, wie es der Holocaustüberlebende Primo Levy (1919-1978) formulierte: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Dies zu verhindern ist unser aller Aufgabe, dafür tragen wir die Verantwortung: informieren, aufklären, erinnern, weiter-geben.
Im Folgenden werden wir uns mit dem Insta Account ,,Eva.Stories’‘ beschäftigen, welcher zeigt wie es wäre, wenn eine 13- Jährige zur Zeit des Nationalsozialismus Insta-gram gehabt hätte. Hierbei interessiert uns auch die Frage, ob es okay ist, so zu tun, als ob…
Die Schüler*innen haben größtenteils motiviert an den Projekten mitgearbeitet, die den Geschichtsunterricht bereichert und einen anderen sowie vertieften Einblick in das Thema Nationalsozialismus ermöglicht haben.
In unsicheren Zeiten, geprägt durch vielfältige Bedrohungen, wie Kriege, Rechts-populismus, Fakenews und Klimawandel, ist es umso wichtiger, sich ein eigenes Bild machen zu können. Das kann man allerdings nur, wenn man Interesse zeigt, sich fort- und weiterbildet, sowie Informationen kritisch prüft.
Vielen Dank an Herrn Tözen, die Guides der Gedenkstätte Bergen-Belsen und unsere Lehrkräfte, die uns begleitet, alles organisiert und uns diese wichtigen Einblicke ermöglicht haben.
( Lya & Mia 10a )